„80 bis 90 Prozent aller Gewalttaten kann man deeskalierten, das sagt uns die Gewaltforschung“, erklärte Jakob Kandlbinder bei der Abschlusspräsentation des Netzwerks „Wir gegen Gewalt“. Genau auf diesen hohen Anteil haben es der Pfarrkirchner Streetworker und seine Kolleginnen Karina Weiß (Simbach) und Sarah Wasner (Eggenfelden) abgesehen. Jugendliche stark gegen Gewalt zu machen, ist das oberste Ziel der Initiative, die der Kreis-Caritasverband trägt und maßgeblich von Jakob Kandlbinder initiiert worden ist. Im Saal der Katholischen Jugendfürsorge in Eggenfelden haben die Streetworker ihre neueste Erfolgsbilanz vor-gestellt.
Seit dem Start des Projekts haben die Streetworker mit Unterstützung weiterer Trainer über 9200 Schüler des Landkreises in 380 Klassen erreicht, 50 davon allein im laufenden Schuljahr. In fünfstündigen Workshops trainieren die Teilnehmer Selbstbehauptung, Deeskalation, das richtige Hilfesuchen und Selbstverteidigung. Außerdem lernen sie die Grundlagen des jugendrelevanten Strafrechts. All das kommt nicht als trockener Vortrag daher, den die Schüler spurlos an sich vorbeiziehen lassen können. Stattdessen interagieren sie mit Trainern und Mitschülern – und da bringen die Präventionsprofis wirklich jeden Schüler zum Mitmachen, wie Jakob Kandlbinder in seinem ebenso launigen wie anschaulichen Vortrag berichtete: „Wenn man gegen seinen Willen berührt wird, ist es wichtig, Öffentlichkeit zu schaffen und die Stimme laut einzusetzen.“
Die Stimme einsetzen
Viele Mädchen würden sich das nicht trauen und sagen, sie seien heute heiser. Aber im Ernstfall fragt sie auch niemand, ob sie gerade heiser sind.“ Häufig aber brechen potenzielle Täter eine sexuell motivierte Tat schon ab, wenn die Mädchen ihre Stimme einsetzen und so zeigen, dass sie sich nicht zu Opfern machen lassen, erklärte er. Ziel der Initiative ist es, jeden Schüler im Landkreis den Workshop mindestens einmal in seiner Schullaufbahn durchlaufen zu lassen. Bei der Präsentation vor Vertretern von Politik, Schulen, Polizei und Sponsoren ernteten die Streetworker viel Lob. MdL Reserl Sem betonte, dass der Staat Schutz und Prävention – bei allem Lob für die Polizei – nicht alleine bewältigen könne und jeder dazu beitragen könne. Ihr Dank galt dem Engagement aller Beteiligten, die letztendlich für die ganze Gesellschaft etwas Gutes tun. Dem konnte sich stellvertretende Landrätin Edeltraud Plattner nur anschließen, bedauerte aber gleichzeitig, dass „Wir gegen Gewalt“ trotz aller Unterstützung leider nie verzichtbar werden wird. Angriffe auf Einsatzkräfte seien nichts, was nur in Großstädten vorkomme, „wir haben auch bei uns im Landkreis die Fälle, bei denen junge Leute Flaschen auf Einsatzkräfte geworfen haben, die eigentlich nur helfen wollten.“
Gemeint waren zwei Angriffe beim Faschingszug in Schönau, bei denen ein Feuerwehrmann und ein Sanitäter verletzt worden sind. Gewalt gehe schon los, wenn Menschen über soziale Netzwerke bedroht werden. Selbstbewusstsein sei es, was junge Menschen brauchen, um sich gegen Gewalt zu stellen. Sie forderte aber auch alle Erwachsen auf, Vorbild zu sein und Gewalt nicht als Mittel der Problemlösung zu betrachten. Komplimente ernteten die Streetworker auch von Eggenfeldens Bürgermeister Wolfgang Grubwinkler, Simbachs 3. Bürgermeisterin Christa Kick und Pfarrkirchens 2. Bürgermeister Martin Wagle.
„Man lernt in den Rollenspielen, dass man sich gegen Gewalt wehren darf, wehren muss“, betonte Gerlinde Fechtner, die Leiterin der KJF-Nebenstelle Eggenfelden. Aber auch beim Umgang mit eigenen Aggressionen und Wutausbrüchen kann das Projekt helfen, besonders dann, wenn Freunde oder Familie als Vorbild in Sachen gewaltfreier Konfliktlösung ausfallen.
Quelle: Passauer Neue Presse